Qualifizierter Rotlichtverstoß durch augenscheinliche Zeitschätzung (OLG Hamm Beschluss vom 24.10.2017 – III – 4 RBs 404/17)
Man stelle sich folgende Situation vor: es ist Freitag, endlich Feierabend und man möchte schnell mit dem Auto nach Hause. Dem steht nichts entgegen bis auf diese eine Ampel, deren Grünphase nicht einmal annährend solange wie die Rotphase dauert. Von dem Drang erfasst, schnellstmöglich ins Wochenende zu starten, gibt man, um der elenden Warterei zu entgehen, etwas mehr Gas, bevor aus dem schon tiefen Gelb ein volles Rot wird. Doch die Ampel schaltet schneller als gedacht auf Rot und zum Bremsen war es nun zu spät. „Die zwei Sekunden…wird schon niemand bemerkt haben“ denkt man sich. Falsch gedacht! Die Polizei hat es gesehen! So ähnlich erging es dem Fahrer im obigen Urteil. Dabei geht es konkret um die Frage, ob die bloße Schätzung eines Polizisten über die Dauer der Rotphase ausreichend ist, um einen qualifizierten Rotlichtverstoß anzunehmen.
Ein normaler Rotlichtverstoß liegt gem. Ziff. 132 BKatV vor, wenn ein Kfz-Führer in anderen als den Fällen des Rechtsabbiegens mit Grünpfeil rotes Wechsellichtzeichen oder rotes Dauerlichtzeichen nicht befolgt. Auf Deutsch: man fährt über eine rote Ampel. Dieser Verstoß wird mit 90 € sanktioniert. Ein qualifizierter Rotlichtverstoß liegt vor, wenn die Rotphase schon länger als eine Sekunde andauert, Ziff. 132.3 BKatV. Hierbei ist eine Geldstrafe von 200 € und ein einmonatiges Fahrverbot festgeschrieben.
Der dem Urteil zugrunde liegende Sachverhalt gibt an, dass die Polizeibeamten ihre Schätzung aus dem fahrenden Streifenwagen getroffen haben. Aber auch bei einer gezielten Kreuzungsüberwachung ohne technische Hilfsmittel ergeben sich unter Umständen Beweisschwierigkeiten. Das OLG Hamm stellt jedenfalls gleich im ersten Leitsatz des Urteils fest, dass die Schätzung der Dauer einer Rotphase eines zufällig beobachtenden Beamten nicht ausreichend ist, um einen qualifizierten Rotlichtverstoß anzunehmen. Soll durch Zeugenbeweis – ohne technische Hilfsmittel – ein qualifizierter Rotlichtverstoß bewiesen werden, so ist eine kritische Würdigung des Beweiswertes der Aussagen geboten. Sollte die Kreuzung gezielt, aber ohne technische Hilfsmittel, beobachtet werden, so bestehen deshalb mit Hilfe eines Anwalts gute Aussichten, einem Fahrverbot zu entgehen.
Zum Nachlesen:
https://www.verkehrslexikon.de/Texte/Rspr8940.php
https://community.beck.de/2017/12/08/1-sekunden-rotlichtverstoss-zeitschaetzung-ist-schwierig